UCI Cyclocross World Championships 2017 in Bieles (Luxembourg) - Spannung pur

Wahrscheinlich bin ich voreingenommen, da bereits mein Vater in den 60er Jahren erfolgreich Querfeldeinrennen (neudeutsch: Cyclocrossrennen) bestritt. Aber für mich ist und bleibt diese Sportart die schönste überhaupt: abwechslungsreich, schnell, athletisch und meist spannend bis zum Schluss. Wie formulierte es der Sprecher so schön? "It's not over till it's over." Für uns war daher auch sofort klar: Die WM findet 2017 in Luxemburg statt? Da fahren wir hin!

Am Freitag kurz in den Wetterbericht geschaut: Es wird wärmer - keine durchgängig zweistelligen Minusgrade mehr. Juchu. Dass die Regenwahrscheinlichkeit parallel steigt, haben wir einfach mal ignoriert. 

Samstag morgen Richtung WM-Gelände. Es hat +2°C. Alles ist noch weiß. Die Straßen sind glatt...und die langen Unterhosen und die Regenhosen liegen zu Hause. Das haben wir mal wieder gut hinbekommen. Egal. Taschen- und Körperkontrollen am Eingang. Ein Eintrittsbändchen an das Handgelenk. Da kommt Festival-Feeling auf. Nur, dass es dort üblicherweise nicht so kalt ist. Und unseren Musikgeschmack treffen die DJ's nicht wirklich. Wummernde Bässe lassen die Trommelfelle vibrieren. Das Zelt ist voll mit begeisterten Fans aller Nationalitäten in schrillen Outfits und meist "bewaffnet" mit Flagge & Bier. Wir schauen dem bunten Treiben eine Zeit lang amüsiert zu, aber wir sind ja wegen des Sports da. Also raus ins Gelände und die FahrerInnen anfeuern. 

Das Gelände ist imposant. Steilkurven, Schräghänge, gefühlt senkrechte Abfahrten und steile Treppen. Die Strecke halb gefroren, halb aufgetaut, somit extrem glatt und schwer zu fahren. Überall Großleinwände, auf denen man jeden Moment des Rennen verfolgen kann.
Imposante Strecke           Foto: D. Schröder
Die WM wird von den Junioren eröffnet. Auch wenn Thomas Pidcock (Great Britain) bereits Europameister wurde, so bietet das Eröffnungsrennen schon ein überraschendes Bild: auf den drei Podiumsplätzen nur Trikots aus Great Britain.


Eine belgische Dominanz im Cyclocross verwundert niemanden. Aber bisher hätte niemand die Engländer als Cyclocross-Nation bezeichnet. Wer weiß, vielleicht ändert sich das in den nächsten Jahren. Daniel Tulett und Ben Turner komplettierten das Podium. Der BDR schickte drei Nachwuchsfahrer ins Rennen. Niklas Märkl bietet eine super Leistung in dem Rennen, das von Stürzen geprägt ist und kann sich im Sprint Platz 10 sichern. Tim Wollenberg folgt auf Platz 18 und Lukas Märkl auf Platz 58.
Die vielen vereisten Schräghänge verlangten den Fahrern alles ab.     Foto: Elisa Haumesser
Direkt im Anschluss werden die U23-Frauen auf die Strecke geschickt. Zunächst sieht es hier aus, als ob es die Engländerin Evie Richards ihrem Landsmann nachmacht, als sie sich alleine an die Spitze setzt. Doch die Topfavoritin Annemarie Worst (Niederlande) lässt sich nicht beirren und kontert den zunächst erfolgreichen Angriff der US-Amerikanerin Ellen Noble, die am Ende vor Ende Platz 2 vor Evie Richards belegt. Die drei Mädels hatten einen deutlichen Vorsprung vor dem Rest des Feldes. Ein besonders schöner Anblick: alle drei freuen sich riesig über ihren jeweiligen Podiumsplatz, obwohl alle kurzzeitig in Führung lagen und die Goldmedaille vor Augen hatten. Besonders hart hat getroffen hat es die Belgierin Laura Verdonschort. Anfangs immer knapp hinter dem Spitzentrio kämpft sie Runden lang verbissen um Anschluss. Mehrere schwere Stürze verhindern den Anschluss. Sie zwingt sich jedoch trotz der Schmerzen immer wieder auf's Rad und erreicht als 4. das Ziel. 

Für den BDR wurden mit Jessica Lambracht (die im Vorjahr Platz 10 erreichte) und Larissa Luttuschka nur zwei Fahrerinnen ins Rennen geschickt. Für Larissa endet leider bereits in Runde 1 das Rennen. Sie stürzte an einer gefrorenen Schrägabfahrt schwer, schlägt mit Kopf und Hüfte schwer auf und muss das Rennen unter Tränen aufgeben. Jessica Lambracht finisht als 33. 

Wirklich herausfordernd ist der Kurs jedoch für die beiden Australierinnen, die das Schlusslicht bilden. Schnee und Eis sind sicher auch nicht ihr übliches Trainingsterrain. Sie nehmen es jedoch mit Humor und kämpfen sich bis zum Ende durch. Runde für Runde animieren sie die Zuschauer, sie anzufeuern, was diese begeistert tun. 

Um 15 Uhr steht das letzte Rennen für den Tag auf dem Plan: Frauen Elite. Inzwischen sind wir zu kleinen Eiszapfen gefroren. Es fällt schwer die Hände aus den Taschen zu nehmen. Aber Aufgeben gibt's nicht. Schon gar nicht vor dem Frauenrennen.  Hier steht mit Marianne Vos (Niederlande) die große Favoritin am Start. Kaum einen Titel, den sie nicht bereits mehrfach gewonnen hat. Umso mehr tobt die - mehrheitlich belgische Fangemeinde - als Sanne Cant sich nicht abwimmeln lässt und immer wieder angreift. Kurz vor Ende des Rennens kann sich Marianne Vos erwartungsgemäß absetzen und sieht wie die sichere Siegerin aus. Aber wie gesagt: "It's not over till it's over." Im Gelände muss man auch immer mit einem Defekt rechnen. Diesmal ereilt er Marianne Vos. Obwohl sehr erfahren, sieht man ihr die Nervosität an. Die Kette lässt sich nicht sofort wieder auflegen und Sanne Cant schließt just in dem Moment auf, als Marianne wieder auf ihr Rad springt. Ab jetzt wird von beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft. Mehrfach wechselt die Führung. Jede kleine Schwäche wird ausgenutzt. Sanne biegt als Erste auf die Zielgerade und kämpft, kämpft, kämpft und siegt. 
Vos gegen Cant - spannend bis zum Schluß.      Foto: Elisa Haumesser
Sie kann ihr Glück kaum fassen. Die Tränen fließen. Marianne Vos ist die Enttäuschung - auch bei der Siegerehrung noch - ins Gesicht geschrieben. Platz 3 erkämpft sich mit Katharina Nash (CZ) eine der ältesten Fahrerinnen des Feldes (Jg. 77), die zeitgleich mit Lucinda Brand (Niederlande) die Ziellinie überquert.

Die Rennen sind rum. Nix wie zurück zum Auto und ins Hotel. Erst einmal 30 Minuten unter die kochend heiße Dusche, um aus dem Dauerzittern rauszukommen und die Zusatzheizung im Zimmer auf Maximum stellen. Sauna-Temperaturen stellen sich ein. 

Am Morgen der Blick aus dem Fenster: kein Schnee. Zum Glück. Aber keine 10 Minuten später fängt es an zu regnen. Einheitlich grauer Himmel. Ach nö. Es ist ja nicht so, dass man keine Regenbekleidung hätte... aber die liegt ja gut zu Hause. Nach langem Überlegen entschließen wir uns schweren Herzens das U23-Rennen der Männer ausfallen zu lassen, da dieses bereits um 11 Uhr startet und das nächste Rennen erst um 15 Uhr. Die Wettervorhersagen haben Recht: gegen Mittag ist es zwar nach wie vor grau, aber es regnet nicht mehr. Immerhin. Das Thermometer klettert auf + 5°C, dafür frischt der Wind auf. 

Verpasst haben wir ein Rennen mit einem klaren Sieger. Der Niederländer Joris Nieuwenhuis siegt mit einem Vorsprung von 1:23 Minute vor dem Spanier Felipe Orts Lloret sowie dem zweiten Niederländer Sieben Wouters. Das BDR-Aufgebot bestand hier aus 3 Fahrern. Mit Manuel Müller stand hier auch ein südbadischer Fahrer im Aufgebot, der sich hervorragend schlug und auf Platz 23 das Rennen beenden konnte. Maximilian Mobis und Lukas Meiler folgten auf den Plätzen 28 und 34. 

Wenn auch das Rennen am Samstag bereits gut besucht war, am Sonntag war das Gelände randvoll von begeisterten Fans. Während am Samstag der Boden noch überwiegend gefroren war, verwandelt sich das Gelände in eine einzige Schlammwüste. 

Samstag Eis & Sonntag Schlamm.
Sich einen Platz an der Strecke zu sichern, an dem man eine gute Sicht hat, ist nahezu unmöglich. Zum Glück gibt es ausreichend Bildschirme. Schon bei der Startaufstellung wird die belgische Dominanz sichtbar. In der 1. Reihe nahezu ausschließlich belgische Fahrer, dazwischen Marcel
Startreihe 1 mit Marcel Meisen   Foto: D. Schröder
Meisen, der amtierende Deutsche Meister, der beim italienischen Worldcup Rennen vor zwei Wochen mit Platz 2 glänzen konnte. 
Der Startschuss fällt und Mathieu van der Poel reißt von vorne das Feld auseinander. Vom in den letzten Wochen von Knieschmerzen geplagten Wout van Aert zunächst keine Spur. 

Die deutschen Fahrer Philipp Walsleben, Marcel Meisen und der Freiburger Sascha Weber reihen sich zwischen den Plätzen 12 bis 20 ein. Es ist faszinierend diese Sportlern zuzuschauen. Souverän meistern sie das inzwischen komplett aufgeweichte Terrain. Die vielen Hügel sprinten sie in einem Tempo hoch, als ob oben das Ziel warten würde.  Wout van Aert kämpft sich Runde für Runde weiter nach vorne. Schließlich schließt Wout am Ende der Wechselzone auf.  Das Rennen um den Sieg ist wieder komplett offen. 

Leider ereilt Mathieu van der Poel die Defekthexe. Ein Platten zwingt ihn eine halbe Runde zu "Halbgas" bis er endlich auf ein neues Rad wechseln kann. Der Rückstand auf Wout danach mehr als 40 Sekunden. Ein Loch, dass sich leider nicht mehr schließen lässt. Wie enttäuscht van der Poel war, konnte jeder sehen. Die Tränen flossen in Strömen. Mehr als 2 Minuten hinter der Spitze läuft der Kampf um Platz 3.  Auch hier ein Kampf Belgier gegen Niederländer, bei dem der Niederländer Lars van der Haar wie der Sieger aussieht. Doch auch ihn ereilt in der Schlussphase ein Defekt, der Kevin Pauwels zur - wie es scheint abonnierten - Bronzemedaille verhilft. 

Marcel Meisen war aus deutscher Sicht der Pechvogel des Tages. Alleine er verzeichnet vier Platten und verläßt das Rennen enttäuscht.
Marcel Meisen zu Beginn des Rennens.    Foto: D. Schröder


Marcel Meisen - der Pechvogel.   Foto: Elisa Haumesser
Eine wirklich gute Leistung bietet Sascha Weber. Kontinuierlich kämpfte er sich nach vorne und überquerte völlig verschlammt, erschöpft, aber glücklich als 10. die Ziellinie. 
Der Freiburger Sascha Weber rollt das Feld von hinten auf.   Foto: Schröder










Philipp Walsleben folgte knapp dahinter als 13. 
Philipp Walsleben    Foto: D. Schröder

Wer die Chance hat zu einer Cyclocross-WM zu fahren, sollte das tun. Ich war vor zig Jahren bereits in Belgien und in München dabei. Und es war immer ein Erlebnis. Eine solche Stimmung bei einem Sportevent gibt es kaum. Dafür sogen alleine die belgischen Fans, die jedes Rennen zu einem Volksfest werden lassen. 

Tipp: 2018 findet die WM in Valkenburg/NL statt. Nix wie hin!

Und wer sich für Cycling Fotos begeistert, ist hier richtig:
Elisa Haumesser - Cycling Photos







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